Wie steht es um die Attraktivität des Buches im Umfeld digitaler Medien?

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Eine immer wieder heiß diskutierte Fragestellung mit sehr konträren Einschätzungen und nach wie vor offenem Ausgang. Vertreter beider Lager, ich nenne sie mal die E-Book- und die Print-Book-Fraktion, tragen dabei ihre Argumente leidenschaftlich vor und finden gute Gründe für den eigenen Standpunkt, wobei man manchmal den Eindruck hat, der zweitgenannten Gruppe fehlt es an Stimme. Oder ist das gedruckte Buch tatsächlich schon tiefer im Abwärtsstrudel, als manch einer das wahrhaben möchte? Ist es tatsächlich ein schleichender Prozess, den man nicht gleich bemerkt, so wie es beispielsweise Kathrin Passig in ihrer Internetkolumne “Das Buch als Geldbäumchen” in nachdenklich machender Weise beschreibt.

Vermutlich haben beide Parteien Recht, denn Buch ist nicht gleich Buch und man soll Äpfel nicht mit Birnen vergleichen. Bücher haben die unterschiedlichsten Zielgruppen und sollen ebenso unterschiedlichsten Ansprüchen und Anforderungen gerecht werden, will sagen, eine friedliche Koexistenz von E-Books auf der einen und gedruckten Büchern auf der anderen Seite sollte möglich sein und wird sich vermutlich langfristig durchsetzen.

Dient das Medium als reiner nüchterner Informationsträger, macht die digitale Variante als E-Book zweifellos Sinn. Gerade wenn es um Vermittlung von Wissen geht, ist beispielsweise die Möglichkeit der Einbindung multimedialer Inhalte eine interessante Option. Kommt es jedoch darauf an, die inhaltliche Aussage eines Buches durch seine “Verpackung” zu stützen, ist das eindimensionale E-Book schlichtweg überfordert.

Dem digitalen Buch fehlen einfach gleich mehrere sinnliche Wahrnehmungsebenen. Die visuellen Sinne werden  zweifellos angesprochen, auch auditive Sinneswahrnehmungen sind denkbar (eine Qualität, die dem gedruckten Buch eher abgeht). Wenn es jedoch um haptische Wahrnehmung über den Tastsinn geht, kann das Buch seine Qualitäten voll ausspielen, wobei zumindest Technik-Freaks auch dem E-Book eine gewisse taktile Sinnlichkeit und Ästhetik zuschreiben werden. Ein weiterer vielleicht unterschätzter, vorwiegend vom gedruckten Buch angesprochener Sinn ist der Geruchssinn, der über die sogennante olfaktorische Wahrnehmung mit ganz bestimmten Emotionen assoziiert ist.

Man sieht also, dass das althergebrachte Buch gar nicht so schlecht aufgestellt ist und womöglich in Anbetracht der oben genannten Wahrnehmungsebenen noch eine Menge bislang ungenutztes Zukunftspotential birgt. Der Verweis der E-Book-Fraktion auf die unzweifelhaft zahlreichen praktischen Vorteile digitaler Medien kommt doch allzu sachlich und nüchtern daher und vergisst dabei gerne, dass ein Buch letztlich mit einem menschlichen Wesen kommuniziert.

Die ganze “Sinnlichkeit” kann natürlich nur greifen, wenn beim Konsumenten eine gewisse Empfänglichkeit für obengenannte Sinnesreize gegeben ist. Es steht jedoch zu befürchten, dass das Internet und die digitale Welt insgesamt, die ja nun mal ihrem Wesen nach eher zweidimensional ist, die sinnliche Wahrnehmung auf einigen Ebenen bereits deutlich beeinträchtigt hat. Hierin liegt zukünftig für alle, die aus Überzeugung und mit Leidenschaft Bücher machen, eine große Herausforderung. Es gilt, neue Wege zu finden, z.B. auf Material- oder Verarbeitungsebene, den Leser auf allen Sinnesebenen gleichermaßen anzusprechen, und so dem gedruckten Buch neue Chancen zu eröffnen.

 

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